7. Die zweite Haushälfte - Arbeiten im Jahr 2002
Warum vergisst man immer alles so schnell? Die gequetschten Finger, die blauen Flecke, der schmerzende Rücken. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber die Blessuren machen es ja auch. Ein paar Tage frei - und man hat alles vergessen. Ich glaube, weil man die Erfolge sieht. Eigentlich hatten wir im Jahr2001 recht viel geschafft.
Mittlerweile war es Anfang Januar 2002 der Inneneinbau soll weiter voran gehen, doch wir hatten Nächte bis -18°. Wenn ich einen Eimer Sand für den Kalkputz holte, hieß das harte Knochenarbeit, denn unser Sandvorrat war zu einem einzigen Klumpen zusammengefroren.
In der
letzten Dezemberwoche war Rüdiger wieder auf einem Lehrgang. Diesmal von
der Firma Kreidezeit über das Thema Tadelakt und Stuccolustro. Ganz begeistert
kam er mit etlichen Schautafeln und ziemlich verwegenen Vorstellungen über die
Gestaltung der Wände im Innenbereich zurück.
Frisch von dem Lehrgang sollte aber nicht gleich die erste Wohnung in Angriff
genommen werden. Und so ergab sich wieder einmal eine Terminänderung. Unser
Versuchsfeld für Stuccolustro wurde die Waschküche. Ich bereitete die Wände
einerseits mit Kalkputz andere mit Marmor- Kaseinputz vor und ich versuchte
Farbmischungen aus natürlichen Pigmenten. Dazu richteten wir eigens eine kleine
Versuchsküche in einer leeren Wohnung ein, wo ich schalten und walten konnte
wie ich wollte.
Etwas Pigmente in Wasser aufgelöst,
dann ein Teil Wandlasurbindemittel und 4 Teile Wasser. Fertig ist meine Farbe.,
Ich versuchte alle Pigmente durch, mischte sie miteinander, setzte die Verdünnung
mit Wasser hoher, arbeitete mit Pinsel Quast und Wickeltechnik. Zwei Tage konnte
ich meine Kreativen Ergüsse ausleben. Da ich aber nur auf vorgefertigten Tafeln
und Tapetenresten arbeitete langweilten mich diese Versuche schon bald. Ebenso
kam ich immer wieder auf die gleiche Farbe und die gleiche Rezeptur zurück.
Meine Wahl lautete: Spinellorange mit weiß. Rüdiger, der jahrelang des
weiß der Fleischerei und ich das weiß des Krankenhauses gesehen haben wollten
Farbe. Ein sonnengelb war das Ergebnis. Es vermittelt Wärme, Licht und gute
Laune. Und – es fand die Zustimmung von Rüdiger. Also
ging es los. Wir waren uns einig und
so konnte mein Kapitän die Stuccolustromasse anrühren und an die Wände spachteln,
glätten, pressen, seifen und polieren.
Dann
kamen die Feinarbeiten. Fliesen legen, Verfugen, Wasseranschlüsse für
4 Waschmaschinen, ein Gästebad oder auch Notklo, Licht und Spiegel
anbringen einen Einbauschrank bauen und das Einarbeiten alter Türen
nicht zu vergessen. Es ging alles recht langsam voran, aber man sah
jeden Abend einen Erfolg und der spornte an. Am Ende des Monats
war unser erster fertiger Raum die Waschküche. Nicht ganz so wie
es eigentlich üblich ist, aber als Versuch genau richtig.
Wir sprechen viel über die weiteren Bauabschnitt im Haus. In unserem Geist ist der Arbeitseinsatz in der Waschküche schon abgeschlossen, wir starteten zu neuen Zielen.
Die nächste Zeit benötigten wir dazu um die Gefache und Außenmauern abzureißen. Von einem Bekannten bekamen wir ein Gerüst, ohne das wir ganz schön aufgeschmissen wären. Aber es fügte sich alles zusammen und so konnten wir loslegen. Stein um Stein wurde das Haus abgetragen und bald sah es aus wie ein Gespensterschloss. Manchmal war es schon etwas unheimlich, denn plötzlich machte das Haus komische Geräusche, der Wind pfiff durch alle Stockwerke und ich war nur froh, dass es bald Sommer werden würde.
Als
ich eines Morgens aufwachte stellte ich mit erschrecken fest, dass unsere Helfer
die Wohnung leer räumte. Ein Umzug in eine andere leere Wohnung war angesagt.
Nun musste ich meine halbwegs eingerichtete Baustellenwohnung gegen eine richtige
Baustelle eintauschen. Was mir am meisten fehlte war das Bad. Nun hatten wir
kein warmes Wasser, keine Dusche und keine Toilette mehr.
Lange konnte ich allerdings nicht trauern, denn schon am Nachmittag war
aus meiner noch bewohnbaren Wohnung das reinste Chaos entstanden. Aussengefache
fehlten, die Badewanne war weg, Wände wurden eingerissen und
Fußboden aufgebrochen. Eine Zwischenwand sollte weg. Beim 2. Schlag machte
es bum - und die ganze Wand fiel um. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war mir
die Notwendigkeit einer Renovierung klar. Wenn nur das Erneuern genauso schnell
gehen würde aber ich ahnte schon die Ausmaße der Renovierung. Warum ist mein
Mann nur immer so konsequent?
Nach etlichen Litern Schweiß hatten
wir das gesamte Gefache raus. Das Haus sah aus wie ein Reptil aus der Vorzeit.
Bei dem Containerdienst klingelte die Kasse. Wobei wir den Lehm fein säuberlich
für weitere Baumaßnahmen aussortierten. Genau zu diesem Zeitpunkt kam meine
Mutter aus Bielefeld zu Besuch. Sie stieg aus dem Wagen ging ums Haus und sagt
nur jetzt habt ihr alles kaputt und fuhr wieder ab. Noch nie habe ich meine
Mutter sprachlos gesehen, aber an diesem Tag war Premiere. Rüdiger und ich
standen nur wie Statisten daneben und konnten gar nicht so schnell reagieren,
wie sie wieder weg war.
Einige Helfer und mein Neffe Frank beschäftigten sich nun mit dem Ausmauern der Gefache. Frank schraubte Eichendreiecksleisten für die Ausmauerung in die Gefache, damit die Lehmsteine einen besseren Halt haben. Er schimpfte mächtig über das harte Holz und darüber, dass man von der ganzen Arbeit später nichts mehr sehen würde, wenn erst einmal vermauert wurde. Mir ging es ähnlich. Ich reinigte die alten Lehmsteine vom Lehmputz, damit sie wieder verbaut erden konnten. So ging es recht schnell voran und nach gut einer Woche war der 1. Stock schon wieder zugemauert. Wiederum eine gute Woche später war das Erdgeschoss zu. Nun konnten wir für eine Woche in den Urlaub fahren. Das Haus war zu und der Lehm konnte ganz in Ruhe trocknen.
Als wir wiederkamen schnitten wir Anhängerweise frische Haselruten und vernagelten sie als Träger auf alle Innenbalken um Risse im Putz zu vermeiden. Nun war mein Urlaub schon wieder vorbei und ich ließ das Haus seinem Schicksal.Noch waren innen nicht alle Wände verputzt und die Garagen
sollten auch wieder ihre neue Ansicht bekommen. Dafür mussten wir die Qualitätsarbeiten
des Vorbesitzers des Hauses gründlich zurückbauen und erst einmal wieder
Fachwerk an die Wand bringen. Diese großen Aufgaben erlebe ich lieber aus
Bielefeld, denn oft kommen mir ganz üble Gedanken. Haus eingefallen, Mann oder
Helfer verletzt. Wenn ich dann Abends den erlösenden Anruf bekam alle gesund
und munter, viel geschafft, konnte ich ruhiger schlafen.
Zum Glück hatte mein Neffe Frank wieder einmal Lust auf
zwei Wochen Baustellenurlaub und so ging es mit großem Gerät ans ausbrechen
der Garagenwände. Unter der fachmännischen Anleitung von Herrn Wachs wurden
die tragenden Teile abgestützt und dann ging es ans Werk. Steine, Betonklumpen,
Eisenträger und Ziegel Schotter und Dreck wichen der Kraft des Boschhammers.
Leider versagte auch ein Hammer seinen Dienst und so hatten wir ein wenig
Schwund im Werkzeuglager.
Dann kamen endlich die Balken in die neu geschaffenen Löcher
und die Hausseite bekam ein neues Gesicht. Ständer, Riegel und Solebalken
wurden erneuert und plötzlich konnte man schon die Zukunft erkennen.
Jetzt kam das Ausmauern , damit der Lehm schneller trock0nen
konnte benutzten wir unsere selbst bebrannten (Feldbrand) Steine. Anschließend
wurde ein Unterputz aufgetragen.
Um das Haus in seine vollen Schönheit zu genießen wurden
die Balken und Riegel noch Sandgestrahlt. Eine schnelle und einfache Arbeit, bei
der das Holz relativ geschont wird. Der Mensch leider nicht. Husten, jucken und
Augenbrennen sind bei der Arbeit inbegriffen. Aber der Anblick belohnt. Anschließend
noch mit Luft ausblasen und der erste Anstrich kann kommen. Mehrere Schichten Öllasur
wurden aufgetragen.
Langsam drückte die Zeit, denn die Giebelverschalung lag noch gebündelt in er
Garage. Nun war anstreichen und lasieren angesagt. Von beiden Seiten viermal
wurden die Bretter gestrichen. Das war vorrangig meine Aufgabe. In der Zwischenzeit
baute mein Neffe eine Unterlattung für die Vertäfelung. Dann kam die Waldecker
Vertäfelung mit Wasserbrettern und unseren selbst entworfenen Haltevorrichtungen
(liebevoll auch Nasen genannt)
Ab und an schlich sich bei ihnen
der Zahlendreher ein und so wurde aus einem Brett von 2,83 m ein Brett von 2,38
m - leider zu kurz. Schließlich waren wir so entnervt, dass jedes Brett 2X nachmessen
wurde An diesen Abend mochte er uns nicht mehr leiden und verzog sich schmollend
und müde ins Bett.
Der ganze Sommer war recht unbeständig und so hofften wir
auf trübes Wetter für den Kalkputz. Kaninchendraht wurde aufgebracht und sämtliche
Gefache abgeklebt.
Vom 1.10.-23.10 setzte ich mich ab zur Kur. Ohne schlechtem Gewissen und mit etlichen Aufgaben bestückt fuhr ich gut gelaunt für 3 Wochen nach Wuppertal.
Einige Wochen war Rüdiger krank. Scheunentor
hieß sein Leiden. Alt sollten sie aussehen, massiv sollten sie sein mit handgeschmiedeten
Beschlägen und Innen anliegend, aber nach Außen zu öffnen. Hitzige Diskussionen
etliche Zeichnungen, Berechnungen und Ausflüge mit der Kamera bewaffnet über
die Dörfer raubten uns den Schlaf der Nacht. Wenn sie Außen anliegend,
würden die alten und sehr teueren Eicheständer hinter dem Tor verschwinden.
Wenn wir sie Innen anliegend und
nach innen zu öffnen gebaut hätten, würde uns eine Menge Platz verloren gehen.
Aber wir hatten die alten Ständer und die Schattenwirkung der Gefache sollte
erhalten bleiben. Unserer Ziel der Renovierung ist es die alte Ansicht wieder
herzustellen, jedoch die Wirtschaftlichkeit der Neuzeit zu nutzen. Endlich hatten
wie die Lösung, ein Beschlag mit Winkel musste her. Unser guter Zimmermann war
mit dem Vorschlag einverstanden. Unser nächstes Opfer war von Beruf Schmied.
Von unmachbar, über schwierig, bis zu 6 Monaten Wartezeit lauteten die Antworten.
Uns aber steckte die Zeit im Nacken. Die Tore mussten zu, denn der Winter kündigte
sich unerbittlich an.
Nach langer Suche fanden wie einen Schmied, der noch mit Feuer und Amboss
umzugehen versteht und vor keiner Aufgabenstellung halt macht. Ein Schmied, der
mit Leib und Seele seinem Beruf nachgeht. Der 'Lützelschmied' war nun
unsere Geheimformel. Preis, Material, Aussehen und Gewichtsberechnungen, alles
stimmte und so gaben wir unsere Wünsche in Auftrag.
In der Zwischenzeit werkelte unser Zimmermann ein Scheunentor. Ein riesiges, voluminöses Monstrum, das endlich am 01.11.2002 eingebaut wurde. 5 Personen und ein Autokran bewegten nun unsere neue Hausansicht.
Schließlich stand es da, wo es hin sollte, die Rundungen wurden vor Ort ausgesägt, dann wurde verkeilt. Genau in diesem Moment wie aufs Stichwort kam der Schmied mit den Scharnieren angefahren. Er hatte in der Gegend zu tun und wollte sich unser Haus einmal ansehen. Wir hielten sofort ein Scharnier ans Tor und es sah phänomenal aus. Nun musste das Tor grundiert und 1X, 2X, 3X gestrichen werden. Am 08.11.2002 fingen wir an die Scharniere anzubringen. Schwer waren sie und kalt. Natürlich mussten die Eichenbalken ausgepolstert werden, denn immer wo eine Scharnieraufhängung angebracht werden sollte war der Balken nicht gerade oder ausgefräst. Irgendetwas war immer und so dauerte es sage und schreibe 3 ganze Tage bevor wir das erste Mal das Tor aufmachen konnten. - Es hat sich gelohnt-. An diesem Abend gab es Sekt und gute Laune. Eine passende Nebeneingangstür bauten wir aus den Resten des Scheunentorholzes. Das Haus war zu und der Winter konnte kommen. Ich freute mich auf die Vorweihnachtszeit und besinnliche Tage am Kamin. Aber Rüdiger hatte schon wieder dieses Leuchten in den Augen.