6. Halbzeit - Arbeiten im Jahr 2001

In den ersten 3 Monaten 2001 hatte ich Gott sei dank genug mit Papierkram zu tun und Rüdiger überließ es mir auch ganz gern, da er meine Stimmung bemerkte. Wenn ich eine Stippvisite am Haus machte, so sah ich doch immer einige Veränderungen.

Eine neue Kellertür, natürlich aus einem alten Bauernhaus ausgebaut und neu aufgearbeitet, neue Fensterbretter an unseren schönen Fenstern und vorgeputzte Innenwände. Es war schon toll was so alles passierte. Aber für mich war dieses Haus immer noch zu kalt. An allen Ecken und Winkeln zog es und unser Baustellenofen brachte auch nicht die erhoffte Wärme. Aber ich konnte mich schon wieder  über den Anblich des Hauses freuen und ich wartete auf die ersten Sonnenstrahlen, die alles wieder in ein freundliches Licht bringen und mir neue Freude und Energie für unseren Traum. Es verzögerte sich dann aber doch noch etwas.

Da das Wetter sehr wechselhaft war, konnten wir nicht so loslegen wie wir wollten und wir suchten uns eine andere als unsere geplante Arbeit. Suchen mussten wir nicht lange. An jeder Ecke des Hauses schaut einem Arbeit entgegen. Der Durchgang zwischen unserem Nachbarhaus und Unserem erhielt den Zuspruch. Er sollte gepflastert werden. Eigentlich war es auch zwingend notwendig, das die Fassade des Nachbarhauses noch erbärmlicher aussieht als unsere je ausgesehen hat. Ab und zu fällt mal ein Putzbrocken heraus und behinderte uns auf dem "Trampelpfad". Wie schon gesagt war das Wetter wechselhaft, leider wechselte es als wir die Steine legten nicht mehr, es regnete ohne Unterbrechung. Ich war mal wieder begeistert und Rüdiger war der arme Sündenbock der dabei bleiben musste. Aber nun ist es schön und man vergisst Gott sei Dank die enorme Arbeit, den schmerzenden Rücken und die zerschundenen Hände.

Aber der Mai- der Mai meinte es gut mit uns und wir planten den Außenputz, damit endlich die Folien von den Fenstern entfernt werden konnten und somit Licht ins Haus drang.

Als ich dann das erste Wochenende nach Landau kam und das Haus sah, war ich entsetzt. Noch bevor ich Rüdiger begrüßte wetterte ich los: „Was hast Du denn gemacht?! Wie sieht es denn hier aus? Das Haus weint ja!!" Rüdiger lachte und meinte „Aber Ute, das ist doch nur Kalk!“ Ich sah nur weiß. Die sauberen Balken, die schönen Lehmgefache, alles war grau besabbert, entsetzlich.

Nun ja, unsere Helfer nahmen das mit dem Spritzputz aus Sumpfkalk nicht so genau. Aber er war froher Dinge und erklärte mir die Arbeitsschritte. Erst wird Sumpfkalk (den wir schon vor fast 1 Jahr abgelöscht hatten ) mit Wasser und zwei verschieden gekörnter Sandsorten (Flusssand) gemischt und dann fast flüssig mit der Maurerkelle in die Gefache gespritzt. Na ja, ab und zu trafen unsere Helfer schon die Gefache.

Als zweiter Schritt wird Sumpfkalt mit Sand, Haaren und Quark vermischt und als Unterputz aufgetragen. Als Abschluss wird das gleiche Gemisch, diesmal jedoch ohne Haare als Feinputz aufgetragen dann abgerieben und mit einem Kellenschnitt versäubert.

So arbeiteten wir Feld für Feld und Wand für Wand. Meine Aufgabe bestand darin die Balken mit der Drahtbürste zu reinigen, da lob ich mir doch den Lehm, den kann man wenigstens abwaschen. Aber dieser Kalk. Überall war es weiß und ließ sich nicht so einfach mit einem feuchten Lappen abwischen. Dann den Feinputz abzureiben, das waren so meine kleinen Hilfsarbeiten in diesen Tagen.

Am Abend war ich so kaputt, dass ich nur noch dümmlich grinsen konnte aber Rüdiger freute sich, dass ich wenigstens ein Lächeln versuchte. Dann, am zweiten Abend war endlich etwas von unsere Arbeit zu sehen und ich freute mich wirklich. So saßen wir zwar geschafft aber glücklich bei einer Flasche Wein im Garten und bewunderten unser Tagewerk.
Als die erste Wand fertig war nahmen wir die Folien von den Fenstern und ich hatte wieder eine Aufgabe. Auch hier war der Kalkstaub hintergekrochen und ich musste 17 Fenster und 2 Türen abseifen. Solche unproduktiven Arbeiten übersah Rüdiger häufig. Als wir aber das Ständerwerk noch einmal gestrichen hatten strahlte unser Haus wie in einem Sonntagskleid.

Am dritten Abend kamen mir schon wieder kreative Ideen, die ich vorsichtig meinem „ Meister“ verklickern musste. Über unsere Fenster im Erdgeschoss musste noch ein Regenschutz. Wahrscheinlich aus Kostengründen oder zu Arbeitserleichterung werden häufig gebogene Aluprofile über den Fenstern angebracht. Mir gefiel das nicht. In einem alten Buch und auch schon an verschiedenen Häusern hatte ich kleine Holzdächlein mit seitlichen Stützen gesehen. Das war etwas was mir gefiel. Aus Pappe fertigte ich in einem ruhigen Augenblick Schablonen an, befestigte sie an ein Fenster und legte eine Pappe darüber. Perfekt!! Natürlich bemerkte das wachsame Auge des Bauherren diese Veränderung sofort und schüttelte nur den Kopf. Es dauerte aber nicht lange, da kam er mit einem Holzmuster aus seiner Werkstatt wieder, klemmte sie an ein Fenster und meinte, “wenn schon, denn schon“. Nach drei intensivern Arbeitstagen an einer Dekupiersäge, stellten wir aus 40 mm starken Brettern, für 10 Fenster und 2 Türen Regendächer mit seitlichen „Nasen“ her. Sicher war es eine Menge Arbeit, aber was bedeutet an einem alten Haus keine Arbeit? Aber es hat sich gelohnt.
Es war wunderschön, aber sah etwas unvollständig aus. Was fehlte? Nach genauer Betrachtung fiel uns auf, dass es so wirkte, als ob für die oberen Fenster das Geld ausgegangen wäre. Die Dächer an den oberen Fenstern hatten zwar keinen zwingenden Nutzen, mussten aber wegen der Optik noch gebaut und anmontiert werden. Rüdiger sah aus, als ob er in das Holz beißen wollt, aber mit knirschenden Zähnen musste er noch einmal an die Säge. Da er diese Arbeit als puren Luxus bezeichnete und in Zukunft keine Lust hat noch einmal diese " Nasen " zu sägen arbeitete er gleich alle, auch für die 2. Haushälfte, fertig. Als ich an diesem Wochenende nach Hause fuhr, bot sich mir ein Bild über das ich heute noch lachen kann. Rüdiger hatte seine gesamten "Nasen " aufgebaut und nun sahen sie wie Soldaten in einer großen Parade aus. Dabei sprach er mit ihnen und erzählte, dass sie nun 7 mal gestrichen würden. Ich antwortete nur," dann pass auf, dass sie nicht kitzelig sind."

Nun hat unser Haus eine ganz besondere Ausstrahlung. Eine ganz persönliche dezente Note, die eine Liebe zum Detail nur dem genauen Betrachter auffällt.
In unserem fast fertigen Unterstand war es recht ungemütlich. Es zog an allen Ecken und Enden. Für uns war es geradezu unmöglich dort in Ruhe zu sitzen und eine kleine Pause zu machen. Scheiben in den alten Stallfenstern, die wir von Nachbarn geschenkt bekommen hatten, würden Abhilfe schaffen. Gesagt, getan. Aber da wir immer etwas auf unseren Geldbeutel achten mussten (und noch müssen) musste eine Alternative zum Glaser gesucht werden. Eine alte Glashalde war die Lösung. Mit Zollstock und festem Schuhwerk sortierten wir dann Müll. Einen Tag später machten wir unsere erste Pause ohne störender Zugluft.

Jetzt ging es in der unteren Wohnung weiter. Die alten Dielenbretter und 20 cm Estrich musste rausgeklopft werden Müll, Staub und Dreck ohne Ende. Im nachhinein frage ich mich warum ich nie von Dreck geträumt habe. Anschließend mischte Rüdiger Lehm mit Styropurkugeln und verteilte das Gemisch als Ausgleichs- und Dämmschicht ( wieder ca. 20 cm. ) auf den Boden. Der Transport der Styropurkugeln  brachte ihn fast zur Verzweifelung. Wir hatten 5 große Säcke auf unserem Anhänger. 6 mal mussten wir anhalten und die Säcke wieder einsammeln. Dabei hatten wir sie immer wieder fest verzurrt, aber durch den Fahrtwind und das Schaukeln und Rütteln auf dem Hänger flogen sie mit schöner Regelmäßigkeit über Bord. Wahrscheinlich hätten wir genauso gut die Säcke gleich zu Fuß holen können. Aber es war mal ein lustiger Nachmittag und unsere Nachbarn, die uns kommen sahen schüttelten nur einmal wieder mit dem Kopf. Da unser neuer "Bodenbelag" trocknen musste konnten wir in der Wohnung nicht weiterarbeiten. Manch Anderer hätte einmal die Beine hochgelegt, aber nicht so mein Sklaventreiber. Lehmsteine standen auf dem Programm. Dazu baute er große Formen aus Holz in der Abmessungen einer  Kastenkuchenform. Nun füllten wir die Formen mit leichtem Strohlehm und stülpten die auf Folien, die wir im Unterstand ausgebreitet hatten. Mir missglückten bestimmt die ersten 10 Versuche, aber Übung macht den Meister. Nach und nach wurde es immer besser und so stellten wir an diesem Wochenende ca. 200 Steine her. Die Sonne und der Wind erledigten die restliche Arbeit und so haben wir für die nächste Lehmwand schon ein paar trockene Elemente, die die Trocknungszeit erheblich verkürzt.

Am 09.09.01 nahmen wir teil am "Tag des offen Denkmals". Für uns war es etwas Neues, Aufregendens außerdem war es eine willkommene Abwechslung. Das erste Mal stellten wir uns mit unsere Arbeit der Öffentlichkeit. Ich war auf alles gefasst, da ich ja wusste, es kamen auch Fachkundige mit ähnlichen Häusern, mit abgeschlossenen Baustellen, mit mehr, oder weniger,  oder anderen Erfahrungen als wir sie hatten. Aber nie im Leben hätte ich mich soviel neidlosen Besuchern gerechnet, die uns immer wieder die Hand schüttelten und uns weiterhin viel Kraft und Mut wünschten. Einige Zeitungsausschnitte finden sie unter "Presse"

Nachdem die Aufregungen um den Tag des offenen Denkmals vorüber waren widmeten wir unsere Aufmerksamkeit wieder der untere Wohnung. Auf die Lehmstyropurdecke musste eine feste begehbare Schicht gebracht werden. 22mm Spanplatten wurden gelegt. Das erwies sich als ein größeres Problem als gedacht, da in dieser Wohnung keine Wand gerade ist. Aber mit Geduld und Spucke und etlicher Flüche haben wir auch diese Herausforderung gemeistert. Nun sah es schon recht gemütlich aus, wenn man das Bad mal außer Acht lässt.

Eine wirkliche Herausforderung war die Klingelanlage. Unsere Nachbarn, Mieter, ja  wir haben noch einen hartgesottenen und uneingeschüchterten Mieter und Besucher alle beschwerten sich über die fehlende Klingel. Natürlich hatten wir eine moderne, mit Sprechanlage gekauft. Kinderleichte Montage stand auf der Verpackung. Das Kind möchte ich sehen. 5 Kabel a 12 Leitungen mussten verbunden, verdrahtet verlegt werden. Um es nicht zu spannend zu machen 4 Stunden haben wir bis zum ersten Klingelton an dieser verflixten Anlage geschraubt. Aber jetzt sind wir auch an der Tür zu erreichen. Das ist doch was. 

Glücklich und voller neuer Energie freuen wir uns jetzt auf den 2. Winter in unserem Haus. Bis Januar soll die erste kleine Wohnung fertig sein und etwa bis Mai die größere im oberen Stockwerk. Das Treppenhaus und die Waschküche na, ja so ein paar kleine Sachen halt auch noch. Aber wir haben ja Zeit. Das Haus hat jetzt schon 425 Jahre auf eine Grundrenovierung gewartet, da kommt es auf ein paar Jahre mehr auch nicht an.

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